Wo die Bibel recht hat5 min read

„Geben ist seliger als nehmen!“ – Dieses Zitat aus der Apostelgeschichte kennt beinahe jeder. Aber in der Arbeitswelt scheint es nicht die geringste Rolle zu spielen. Im Gegenteil: Dort wird mit harten Bandagen gekämpft. Jeder will vorankommen, jeder will gut verdienen. Man konkurriert heftig um die Ressourcen. Unternehmen kämpfen mit allen Mitteln um Marktanteile. Moral und Ethik werden da auch schon mal beiseite gelassen. Großzügigkeit, Warmherzigkeit, Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft – Tugenden wie diese scheinen eher in die Freizeit zu gehören und dem Privatleben vorbehalten zu sein. Vor allem in der Weihnachtszeit haben sie dann Saison.

Glück ist das Ziel

Und wozu das alles? Was erhofft man sich beispielsweise von der Karriereleiter? Von der nächsten Gehaltserhöhung? Letzten Endes ist die Antwort immer dieselbe: Die Menschen wollen glücklich sein. Sie wollen Anerkennung bekommen, sie wollen sich etwas leisten können. Weil sie denken, dass sie dann glücklicher sein werden. So ziemlich alles, was man im Job tut, soll dazu dienen, das eigene Leben gut zu machen, im besten Fall sogar glücklich. Darum geht es, das treibt uns jeden Tag an. Die Sehnsucht nach einem glücklichen Leben.

Mangel und Bedürftigkeit

Und darum achten die Menschen in der Arbeitswelt immer sehr aufmerksam darauf, was sie bekommen: Bekomme ich genug Anerkennung? Genug Geld? Genug Aufmerksamkeit? Genug Chancen? etc. Und sehr oft fällt die Bilanz nicht günstig aus. Wir haben fast alle sehr oft das Gefühl, nicht genug zu bekommen. Folglich sind viele von uns unzufrieden. Nicht wenige empfinden sogar Groll. Etliche fühlen sich als Opfer, weil sie den Eindruck haben, sie würden um etwas betrogen, das ihnen zusteht.

Das Gefühl des Mangels dominiert, die Bedürftigkeit steht im Vordergrund. Und ganz gleich, was und wie viel wir bekommen – irgendwie scheint es nie genug zu sein.

Der große Irrtum

Wilhelm Busch hat ein witziges kleines Gedicht verfasst, mit dem er das Problem auf den Punkt bringt:

Wonach du sehnlich ausgeschaut, es wurde dir beschieden. Du triumphierst und jubelst laut: Jetzt hab ich endlich Frieden!

Ach, Freundchen, rede nicht so wild, bezähme deine Zunge! Ein jeder Wunsch, wenn er erfüllt, kriegt augenblicklich Junge.

Und genau das konnte die Forschung bestätigen. Wenn wir etwas Gutes bekommen, dann haben wir nur kurze Zeit Freude daran. Denn wir gewöhnen uns meist rasch an das Gute – und dann wollen wir mehr. Dann geht es wieder von vorne los mit dem Wünschen und Begehren, dem Hoffen und Warten. Denn tatsächlich sind wir für das Dauerglück gar nicht geschaffen. Dauerhaft ist lediglich unser Streben nach Glück. Und genau deshalb ist es sinnlos zu erwarten, wir würden in der Zukunft glücklich sein können, wenn wir erst dies oder jenes erhalten bzw. erreicht hätten. Diese Hoffnung ist äußerst trügerisch und bewahrheitet sich für gewöhnlich nicht.

Das verlässliche Glück

Es gibt jedoch eine andere Art von Glück, die sehr zuverlässig funktioniert. Nämlich das Glück des Gebens. Dieses Glück ist biologisch verankert. Wir konnten als Art nur überleben und uns erfolgreich behaupten, weil wir kooperiert haben und füreinander da waren. Deswegen belohnt die Evolution noch heute Altruismus mit Glücksgefühlen.

Das Phänomen ist in der Wissenschaft auch unter dem Namen „Helper’s High“ bekannt. Denn wir sind regelrecht high, wenn wir jemandem etwas Gutes getan haben. Dieses Hochgefühl lässt sich medizinisch nachweisen. Je nach Situation kann es sogar den ganzen Tag anhalten. Gut zu sein, das fühlt sich nachweislich auch gut an. So betrachtet ist die Ellenbogenmentalität in der Arbeitswelt ausgesprochen kontraproduktiv. Und die Richtigkeit des Bibelworts aus der Apostelgeschichte „Geben ist seliger denn nehmen“ steht außer Frage.

Nach eigenem Maßstab gut sein

Die logische Konsequenz besteht darin, öfter mal nach eigenen Maßstäben Gutes zu tun. Es ist wichtig, dass das eigene Verhalten sich an den eigenen Werten orientiert. Die Selbstachtung steigt, wenn man das eigene Verhalten als wertvoll wahrnimmt. Und das passiert sofort, wenn wir anderen Freundlichkeiten erweisen, ihnen helfen und uns einfach rundum anständig verhalten. Sogar wenn das Gegenüber unsere Haltung nicht angemessen wertschätzt, fühlt es sich für uns gut an. Denn nichts ist befriedigender als die Gewissheit, das Richtige getan zu haben.

Ich selbst nutze das Prinzip mit großem Vergnügen und Erfolg in meinem Geschäft. „Besser sein als der Kunde erwartet“ – das ist meine persönliche Interpretation des Prinzips „geben ist seliger als nehmen“. Dem Kunden rundum Gutes zu tun ist nicht nur eine Strategie, die uns beide froh macht, sondern obendrein das perfekte Mittel zur Kundenbindung.

Jeden Tag Weihnachten

Deswegen kann ich jedem nur empfehlen, das obige Bibelzitat ernst zu nehmen und das Prinzip auch im  Arbeitsumfeld zu beherzigen. Wenn wir es schaffen, jeden Tag ein bisschen davon an unserem Arbeitsplatz umzusetzen, geht es allen Beteiligten besser. Das hat nichts mit Selbstaufopferung zu tun, sondern mit Intelligenz. Die ganze Sache lässt sich mit einem Satz des Schriftstellers George Bernanos sehr schön auf den Punkt bringen:

„Seine Freude in der Freude des anderen finden zu können, das ist das Geheimnis des Glücks.“

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