Du und dein Chef6 min read

Ohne Zweifel: Manche Chef sind einfach für den Posten ungeeignet. Oft beruhen die Probleme aber auf Gegenseitigkeit. Das muss nicht so bleiben. Denn auch einen Chef kann man beeinflussen und führen.

Kai regt sich mal wieder auf. Sein Chef hat ihn dazu verdonnert, ihn täglich über den Stand des neuen Projekts zu unterrichten. Ein Morgenappell wie beim Militär.

Sein Chef hat einen Kontrollzwang. Kai beginnt, ihm so oft wie möglich auszuweichen. Damit startet er ungewollt ein Katz- und Maus-Spiel. Denn sein Chef spürt den drohenden Kontrollverlust und verstärkt seine Anstrengungen, alles und jeden unter strenger Beobachtung zu halten.

Das Prinzip der gegenseitigen Beeinflussung

Egal, was wir tun – wir lösen damit etwas in unserem Gegenüber aus. A handelt und B reagiert. Die Reaktion von B wiederum löst eine Reaktion bei A aus.

Das ist ein immerwährender wechselseitiger Prozess und zuweilen entstehen daraus Teufelskreise. Im obigen Beispiel löst der Chef mit seinem übertriebenen Kontrollverhalten beim Mitarbeiter den Fluchttrieb aus. Die Flucht des Mitarbeiters wiederum bewirkt, dass der Chef nun umso entschlossener um die Kontrolle kämpft. Er wird zum Verfolger. Das ist der Beginn eines klassischen Teufelskreises.

Eine teuflische Dynamik

Kommt solch eine Dynamik erst einmal in Gang, folgt sie immer denselben Gesetzmäßigkeiten:

  1. Man rutscht in diese Dynamik hinein, ohne es zu merken. Denn das eigene Verhalten wird als ganz natürlich und richtig wahrgenommen. Man tut nur das Naheliegende und niemand käme auf die Idee, gezielt einen Teufelskreis zu starten.
  1. Es gibt nur Opfer. Jeder sieht die Schuld beim Gegenüber und niemand fühlt sich verantwortlich. Jeder der Beteiligten hat den Eindruck, nur zu reagieren. Würde man beispielsweise Kai fragen, was los ist, würde er vermutlich sagen, dass sein Chef ein neurotischer Kontrollfreak ist, der ihm das Leben schwermacht. Der Chef hingegen würde erklären, dass er einen schwierigen Mitarbeiter hat, der nicht kooperieren will. Keinem ist bewusst, wie er mit seinem eigenen Verhalten dazu beiträgt, die teuflische Dynamik zu stabilisieren.
  1. Da jeder der Beteiligten das Problem beim Gegenüber sieht, kommt es zu keiner Lösung. Jeder ist überzeugt, der andere müsse sein Verhalten ändern, damit alles wieder in Ordnung kommen kann. Derweil behalten alle Beteiligten ihr Verhalten bei und machen für gewöhnlich noch entschlossener weiter mit dem, was sie für eine natürliche und selbstverständliche Reaktion halten. So kommt es schließlich zur Eskalation.

Gefährliche Impulsivität

Clever und strategisch statt unbedacht und impulsiv!

Das alles könnte nicht passieren, wenn wir weniger spontan reagieren würden. Denn gerade das impulsive und unüberlegte Handeln löst sehr schnell beim Gegenüber Reaktionen aus, die nicht gewollt sind. So setzt sich der Teufelskreis in Gang und die teuflische Dynamik nimmt Fahrt auf.

Es ist zwar unvermeidlich, dass wir auf das Handeln eines anderen Menschen manchmal emotional heftig reagieren. Wir können heftigen Ärger, schmerzliche Frustration, Angst, Nervosität, Enttäuschung etc. nicht grundsätzlich verhindern. Wir können aber entscheiden, ob wir diese Gefühle über unser Verhalten bestimmen lassen.

Wir sind nicht gezwungen, unseren emotionalen Impulsen auf der Stelle nachzugeben. Wir können uns dafür entscheiden, taktisch klug zu handeln, statt unseren Gefühlen blind nachzugeben. Wir können lernen, äußerlich gefasst zu bleiben, auch wenn wir innerlich hoch erregt sind; oder diplomatisch zu sein statt beleidigend; oder geduldig statt vorschnell usw. Diese Fähigkeit ist der Schlüssel, um Teufelskreise aufzulösen oder sogar ganz zu verhindern.

Unbedingt professionell agieren!

Professionell bleiben und nichts persönlich nehmen!

Es ist völlig normal, dass wir am Arbeitsplatz mit anderen in Konflikt geraten. Konfliktreiche Situationen erfordern reifes und überlegtes Handeln.

Also erst einmal innehalten und nachdenken, statt dem eigenen Gefühl sofort nachzugeben! Sonst löst man versehentlich noch eine Dynamik aus, die man nicht haben will. Gefühle sind grundsätzlich als alleinige Ratgeber für das Verhalten ungeeignet. Sie zeigen lediglich an, dass Handlungsbedarf besteht.

Wenn also wie im Fall von Kai der Chef ein unerträglicher Kontrollfreak ist, besteht die Notwendigkeit, etwas dagegen zu unternehmen. Aber nicht, indem man kopflos flüchtet und versucht, sich unsichtbar zu machen. Viel klüger wäre es, sich in den Chef hineinzuversetzen. Warum will er alles so fest im Griff behalten? Natürlich steckt Angst dahinter. Die permanente Angst, die Dinge könnten aus dem Ruder laufen, wenn er als Chef nicht jede Kleinigkeit im Blick behält. Nebenbei bemerkt kommt solch eine übertriebene Sorge natürlich nicht von ungefähr. Der Chef wird irgendwann einmal eine entsprechende Erfahrung gemacht haben.

Einem Menschen, der Angst hat, begegnet man, indem man ihn beruhigt und ihm möglichst seine Angst nimmt. Kai hingegen verstärkt mit seiner Fluchtreaktion ungewollt die Sorge seines Chefs. Kein Wunder also, dass der Chef jetzt mit aller Anstrengung seine Kontrolle zurückerobern will. Alternativ hätte Kai auch ein Gespräch mit ihm suchen können, um sein Vertrauen zu gewinnen. Er hätte gezielt die Bedenken seines Chefs aufgreifen und ausräumen können. Vielleicht hätte er eine Probezeit aushandeln können, während der sein Chef auf Kontrollmaßnahmen verzichtet. So hätte er sich Stück für Stück die gewünschten Freiräume für seine Arbeit verschafft.

Die heimliche Regie

Unser eigenes Verhalten beeinflusst unausweichlich das Verhalten anderer. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Gegenüber in der Hierarchie über- oder untergeordnet ist. Wir haben in jedem Fall Macht über den anderen, und zwar meistens mehr, als uns bewusst ist. Auch einen Chef kann man beeinflussen und führen. Es ist eine informelle, eine heimliche Regie, die aber eine große Wirkung entfalten kann. Es wäre schade, leichtfertig darauf zu verzichten. Denn mit dieser Art von Regie könnten wir letzten Endes einen Chef erziehen, der unserer Arbeitsfreude nicht im Wege steht.

Dieser Beitrag von mir ist am 19.09.2017 auf FOCUS-Online erschienen

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